Brötzmann entfacht auf „it’s a love song“ mit Massaker einen expressiven Gewaltausbruch – roh, live, ehrlich – und findet darin seine musikalische Achse.

Caspar Brötzmann ist ein Mensch, der nicht zurückblickt, sondern durch Wände geht. Einer, der die Gitarre nicht spielt, sondern ihr die Realität abringt. „it’s a love song“ ist keine Rückkehr, kein Comeback, kein Revival – es ist ein klares Statement: Es gibt nur das Jetzt. Und das ist laut.

Die beiden Live-Versionen von „All This Violence“, aufgenommen in Wien und Dresden, sind nicht bloß alternative Takes. Sie sind offene Wunden, aus denen Feedback, Verzerrung und die gelebte Dringlichkeit einer Welt bluten, die längst aus den Fugen geraten ist. Zusammen mit Eduardo Delgado Lopez am Bass und Saskia von Klitzing am Schlagzeug reißt Brötzmann den Hörer mit in einen Mahlstrom aus Lärm, Katharsis und – ja, Liebe. Denn was hier wie ein nihilistisches Inferno klingt, trägt im Innersten eine zutiefst menschliche Wärme in sich: den Wunsch, trotz allem zu überleben und dabei aufrecht zu bleiben.

Die rohe Live-Atmosphäre dieser Aufnahmen ersetzt mühelos ein Studioalbum. Jeder Anschlag, jeder Drumfill, jeder tonale Zusammenbruch ist pure Intuition. Kein kalkuliertes Klangdesign, kein Schnickschnack. Nur Wahrheit. Eine Wahrheit, die sich gegen ein Wiederholen erfolgreicher Formeln ebenso sträubt wie gegen die Anforderungen eines leicht konsumierbaren Musikmarkts.

Es ist diese Kompromisslosigkeit, die das neue Massaker-Werk so besonders macht – und gleichzeitig schwer zugänglich. Brötzmann spielt nicht für uns, er spielt, weil er muss. Wie ein Krieger, der nur sein Instrument hat, um sich durch ein Zeitalter zu schlagen, in dem Schönheit und Schrecken kaum noch voneinander zu trennen sind.

„it’s a love song“ ist also keine Sammlung von Songs. Es ist eine Zustandsbeschreibung, ein Ausdruck dessen, was passiert, wenn man 25 Jahre lang seine Gitarre wie ein Schwert geschliffen hat. Es ist radikal, archaisch, mutig – und gerade deshalb so notwendig.

#amplified #musikmagazin #musicmagazine #news #reviews #casparbrötzmann #massaker #experimental #noiserock #livemusic #avantgarde #guitarlegend #exileonmainstream #corbettvsdempsey