- Artist: Drew Whiting
- Album: All In
- Label: Neuma Records
- VÖ: 15.11.2024
Drew Whiting verschiebt mit "All In" Grenzen: ein Album voller Innovationen, das Avantgarde, Jazz und Neoklassik kunstvoll verbindet.
Mit seinem zweiten Album "All In" zeigt Drew Whiting einmal mehr, dass er die Herausforderung zeitgenössischer Musik nicht scheut – im Gegenteil: Er geht „all in“. Die Platte ist nicht nur eine Demonstration seines virtuosen Spiels, sondern auch ein Experimentierfeld für Klangfarben, Texturen und Ausdrucksmöglichkeiten, die das Saxophon in all seinen Facetten bietet.
Schon der Opener, "Shadow Dance", hebt die Messlatte hoch. Gemeinsam mit der Klarinettistin Laura McLaughlin und Pianistin Kirstin Ihde entfaltet Whiting eine dynamische Reise durch groovige Synkopen, schroffe Klanglandschaften und fieberhafte Ausbrüche. Hier wird nicht nur gespielt, hier wird musiziert – mit einer Intensität, die fast körperlich spürbar ist.
Im Mittelteil des Albums betritt Whiting mit Stücken wie Pamela Zs "Four Movements for cello and delays" neues Terrain. Durch den Einsatz von Granularsynthese und Verzögerungseffekten wird das Baritonsaxophon zu einem Klanglabor, in dem jeder Ton transformiert und wiedergeboren wird. Das Ergebnis ist eine hypnotische Mischung aus Technik und Emotion, die sowohl Kopf als auch Herz anspricht.
Ein Höhepunkt ist auch die "Sonata for alto saxophone and piano" von John Mayrose, in der Whiting erneut mit Kirstin Ihde zusammenarbeitet. Ihre Harmonie in den komplexen, fast mathematisch anmutenden Tetrachord-Strukturen der Ecksätze ist beeindruckend. Doch der mittlere Satz, "Faux Patterns", lässt Raum für lyrische Nachdenklichkeit und zeigt die emotionalere Seite des Duos.
Besonders faszinierend wird es, wenn Whiting in Yaz Lancasters "among Verticals" das Saxophon auf ungewohnte Weise zum Einsatz bringt: Vom Klick der Klappen über Atemgeräusche bis hin zu hypnotischen Klangwellen wird das Instrument zur Stimme eines impressionistischen Gemäldes, das klanglich zum Leben erweckt wird.
Den Abschluss bildet Whitings eigenes Stück, "They are obviously sounds; that’s why they are shadows", das ein feines Gespür für Atmosphäre beweist. Mit Techniken wie Multiphonics und Obertönen erzeugt er ein klangliches Schattenspiel, das John Cages avantgardistische Philosophie widerspiegelt und zugleich seine eigene künstlerische Handschrift betont.
Fazit: Mit "All In" legt Drew Whiting ein ebenso mutiges wie durchdachtes Album vor, das Genregrenzen sprengt und die Möglichkeiten des Saxophons neu definiert. Ein Muss für Liebhaber experimenteller Musik. 8 von 10 Punkten.
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