No More: Sich küssende Gegensätze in dunklen Klangfarben

  • Artist: No More
  • Album: Kissin’ In The Blue Dark
  • Label: rent a dog / ALIVE / Orchard
  • VÖ: 14.10.2022

„Kissin’ In The Blue Dark“ ist ein Doppelschlag, mit dem NO MORE den Herbst einläuten. 29 Songs erzählen auf zwei sehr unterschiedlichen CDs von den (Liebes)dingen, die einem so zwischen den blauen Stunden widerfahren können. NO MORE beginnen einen Rückblick mit dem poetischen Realismus von „Berlin Soul“ und verorten sich danach sofort im Hier & Jetzt mit dem Spoken-Word-Post-Punk von „Keep It Cool“. NO MORE sind Meister des Happy-Sad, ob in einem HighSpeed-PopSong wie „Paris Blue“ oder in dem leisen choralartigen „A Happy Place“. Sie lassen eine albtraumhafte Nacht in den hellen Morgen münden („ All The Dark That Shines“) und fragen entspannt groovend „Wer bin ich?“ in „It’s So Easy To Get Lost“. 

Das Duo stellt diese Gegensätze offensiv heraus und erfindet sich Song für Song immer wieder neu. Tina Sanudakura umschreibt im freien Spiel des Theremins das Sehnsuchstvolle, das Unerfüllte, Rastlose. Ihre elegischen Flächen bilden das Fundament für gefühlvolle Verzerrungen bitter-süßer Melodien. Andy Schwarz crooned, erzählt, flüstert mit Tremolo und Vibrato in Stimme und Gitarre. Er schmeißt fragmentarische, Melodiesprengsel mal auf den nackten Beton, mal in die Wolken. 


Der Albumtitel, einem Text von Lana Del Rey entliehen, beleuchtet die unterschiedlichsten Aspekte von Liebe,Lust und Verlust. NO MORE haben keine Angst vor der Romantik, dem Klischee und erst recht nicht vor deren Dekonstruktion.

Der schwere Rhythmus und die orchestralen Bläser, die das Ende einer Amour Fou  in „Valentina“ beschreiben, verweisen auf die dunkle Seite der Nacht auf der zweiten CD. Fast gänzlich instrumental stehen minimalistische Songs urplötzlich opulent orchestralen Stücken gegenüber, verbinden die stürmische Partynacht mit dem kommenden Montagmorgen.

Es beginnt eine Wanderung durch die Nacht, geisterhaft, spooky, in Trance, taumelnd. Mal im Fiebertraum, mal meditativ. „Man denkt nur in Bildern“ hat Camus einmal gesagt und hätte zum Beweis diesen zweiten Teil von „Kissin’ In The Blue Dark“ anführen können. „The Nightly Runner“ beginnt mit schrillen verzerrten Celli, der letzte Song „First Light“ kombiniert elektrische Störgeräusche mit einem sanften Piano und einer melancholischen Melodie. 

Alles passiert gleichzeitig, Wie im richtigen Leben.

No More ist es gelungen ein (Doppel)Album für die Ewigkeit zu schreiben, das im ersten Teil (CD 1) so zeitlos klingt wie die Klassiker von New Order, Joy Division und David Bowie und im zweiten Teil (CD 2) schon fast ein Soundtrack zu einem David Lynch Film sein könnte.

 

10Unsere Bewertung

 

 

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